Ich bin das Licht des Bewusstseins

Ich bin das Licht des Bewusstseins,

das seine Strahlen durch die Ritzen der Sinne schickt

und damit die Welt erhellt

und in Erscheinung bringt.

Licht, licht, licht!

Kehrt um, kehrt um!

Das ist kein moralischer Appell.

Zieht die Aufmerksamkeit ab von der Welt

und richtet sie auf ihren Ursprung!

Wenn Geist Geist betrachtet, verschwinden alle Phänomene

und Erleuchtung tritt ein.

Wenn Licht in Licht badet, verschwinden alle Wünsche

und grenzenlose Glückseligkeit

erfüllt den Raum des Universums.

Hast du dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, was das eigentlich ist, was du mit „ich“ bezeichnest? Wo sich dieses „Ich“ befindet und welche Eigenschaften es hat?

Was macht das Ich aus?

Ich erinnere mich, dass mein damals etwa 11-jähriger Sohn, als wir einmal darüber sprachen, was denn das Ich ausmacht, sofort und ohne nachzudenken antwortete: „Das Bewusstsein!“ Eine weise Erkenntnis für ein Kind, finde ich. Denn viele Menschen sind sich nicht einmal bewusst, dass sie Bewusstsein sind. Doch was ist Bewusstsein? Manche Materialisten glauben allen Ernstes, dass Bewusstsein bloß ein Nebenprodukt des Gehirns sei. Doch für alle, die sich auch nur ein bisschen mit der Frage auseinandergesetzt haben, wer sie sind und wie die Welt beschaffen ist, ist diese Auffassung einfach nur lächerlich.

Vielmehr ist es wohl eher umgekehrt: Der Körper und damit auch das Gehirn ist eine verdichtete Ausdrucksform des Bewusstseins. Bewusstsein ist nicht erst entstanden mit der Geburt oder der Zeugung. Es war längst vorher schon da. Es ist das, was sich auch im Laufe unseres Lebens nicht verändert, während fast alles andere – die Zusammensetzung und das Aussehen unseres Körpers, unsere Rollen, Gedanken, Gefühle, Werte, unsere ganze Lebensgeschichte – ständig verändert. Vielleicht geht es dir auch so, dass du dich immer gleich alt fühlst. Das liegt daran, dass Bewusstsein kein Alter hat. Es ist ewig.

Was ist Bewusstsein?

Aber wie können wir Bewusstsein wahrnehmen und beschreiben? Obwohl niemand leugnen kann, dass Bewusstsein existiert, scheint das nicht ganz einfach zu sein. Wir können Bewusstsein nicht wahrnehmen, wie wir vieles andere in der Welt wahrnehmen können. Weil es eben kein Objekt unserer Wahrnehmung ist, sondern das Subjekt. Das, was wahrnimmt. Oder besser: Das, in dem jede Wahrnehmung stattfindet. Bewusstsein ist raumhaft. Es ist größer und weiter als alles andere.

Kann es eine Welt geben, ohne Bewusstsein, in dem sie erscheint? Wenn ja, hat sie dann irgendeine Relevanz? Nein, selbst wenn es sie gäbe, wäre sie völlig bedeutungslos.

Den Fokus der Aufmerksamkeit umkehren und nach innen richten

Um uns des Bewusstseins bewusst zu sein und gewahr zu sein, dass wir das sind und was Bewusstsein überhaupt ist, müssen wir den Fokus unserer Aufmerksamkeit nach innen wenden. Normalerweise ist er nach außen gerichtet, auf die sinnlich wahrnehmbare Welt. Wenn wir aber das, was die Welt wahrnimmt, wahrnehmen wollen, müssen wir die Blickrichtung ändern. So ist der in der Bibel und auch in anderen Heiligen Schriften immer wieder geäußerte Aufruf „Kehrt um!“ auf einer tieferen Ebene zu verstehen. Natürlich kann man ihn in vielen Fällen auch auf den Lebenswandel beziehen, aber viel wichtiger erscheint mir die tiefere spirituelle Bedeutung zu sein, die Richtung unserer Aufmerksamkeit zu ändern, also das zu suchen, was wahrnimmt.

Die Lichthaftigkeit des Bewusstseins

Was bedeutet das praktisch? Ich finde es gar nicht so schwierig. Am leichtesten ist es, wenn du dich mit geschlossenen Augen in ein dunkles Zimmer setzt. Hier ist es am leichtesten, die Lichthaftigkeit des Bewusstseins zu erkennen. Denn wenn wir uns im Sonnenlicht oder in einem erleuchteten Zimmer aufhalten, scheint es so zu sein, dass die Lichtstrahlen von außen über unsere Augen nach innen fallen und so das Sehen möglich machen. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Wir könnten nicht sehen, wäre da nicht das Licht des Bewusstseins, das durch die Sinne nach außen dringt und dadurch die Welt erhellt.  

Die Sinne von der Welt abzuwenden und nach innen, auf den Sehenden, zu richten, ist also der erste Schritt. Und dazu ist es hilfreich, Sinnesreize möglichst auszublenden, indem du dich also in bequemer, aufrechter Haltung in einen stillen, dunklen Raum setzt, dich einige Zeit nicht bewegst und die Gedanken zur Ruhe bringen lässt. Wahrscheinlich wirst du merken, dass vor allem Letzteres kaum für mehr als ein paar Sekunden möglich ist. Aber wenn du deine Gedanken wahrnehmen kannst – wie könnte das gehen, wenn Bewusstsein nicht lichthaft wäre?

Ich bin das Licht der Welt

Wir sind also Bewusstsein, und eine Eigenschaft des Bewusstseins ist, dass es lichthaft ist. Wir sind also Licht! Diese Erkenntnis hatte auch Jesus: „Ich bin das Licht der Welt.“ (Joh. 8,12.) sagt er sowohl über sich als auch über seine Jünger: „Ihr seid das Licht der Welt. (Mt. 5,14.).

„Wenn Geist Geist betrachtet, verschwinden alle Phänomene und Erleuchtung tritt ein.“ Dieser Satz aus dem obigen Text ist ein Zitat von dem Dzogchen-Meister Padmasambhava. Zumindest ist er über viele Jahre so in meiner Erinnerung hängen geblieben.

Können wir erleuchtet werden?

Sicherlich hat der Begriff „Erleuchtung“ mit der Erkenntnis dieses Lich-seins zu tun. Wir sind aber nicht erst Licht, wenn wir erleuchtet sind, sondern wir sind es immer schon gewesen. Nur sind sich eben die meisten Menschen dessen nicht bewusst.

Wir können Bewusstsein nicht sehen, wie wir die Sonne oder eine Lampe sehen können. Aber wir können in uns selbst ruhen und gewahr sein, dass wir Bewusstsein sind: licht, klar, rein, freudig, intelligent, höchst lebendig und voller Liebe und Entzücken. Und wenn wir das in der Meditation immer wieder üben, ist es so evident, dass es auch im Alltag eine Selbstverständlichkeit wird.

Das Licht-sein erfahren

Du möchtest dich noch mehr damit beschäftigen, wie du licht-sein erfahren kannst? Dann komm in den Yoga-Vertiefungskurs Yoga als spiritueller Weg, wo wir die Geheimnisse der Bhagavad Gita entschlüsseln oder zum nächsten Yoga-Wochenende von 19.-21.Mai 2023, wo du die Möglichkeit hast, tiefer in die Meditation zu kommen, begleitet von einem der wichtigsten Yoga-Schriften: dem Yogasutra.

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