Als ich im Zusammenhang mit meiner DCIS-Diagnose die Erfahrung machte, dass in unserem Gesundheitssystem – jedenfalls was die sogenannte Früherkennung und Behandlung von Krebs betrifft – einiges schief läuft, musste ich erst einmal verstehen, wie und warum das System so funktioniert, wie es funktioniert. Gleich vorweg: Ich bin keine Freundin von Verschwörungstheorien. Mir geht es darum, Systeme zu verstehen. Zu verstehen, wie alles zusammenspielt und warum die einzelnen Akteure so handeln wie sie handeln, ja nahezu handeln müssen, in der Regel in durchaus bester Absicht.
Fakt ist, dass sowohl die Krebserkrankungsraten als auch die Sterberaten seit Jahrzehnten steigen und voraussichtlich – wenn nicht ein radikales Umdenken passiert – auch in den nächsten Jahrzehnten weiter steigen werden, obwohl – oder vielleicht sogar weil? – jährlich Milliarden Euro in die Krebsforschung und in die Behandlung von Krebskranken fließen. In Österreich und in den meisten anderen Industriestaaten ist Krebs – nach Herz-Kreislauferkrankungen, die noch leichter vermieden werden könnten, weil die Ursachen allgemein bekannt und weniger komplex sind – die zweithäufigste Todesursache.
Dazu kommt, dass die übliche schulmedizinische Behandlung zu schweren körperlichen Schädigungen führt und mit massiven psychischen Belastungen verbunden ist.
Warum wird trotz dieser katastrophalen Bilanz weitergemacht wie bisher? Und warum liefern sich immer noch die meisten Menschen diesem System aus, wenn sie von Krebs betroffen sind?
- Unser Wirtschaftssystem ist auf maximalen Gewinn ausgerichtet. Und dieser Gewinn wird in Geld für das jeweilige Unternehmen ausgedrückt und nicht etwa in Gemeinwohl, also in Lebensqualität für alle. (Zu diesem Thema empfehle ich die Lektüre der „Gemeinwohlökonomie“ von Christian Felber.) Wer die Debatten rund um die Handelsabkommen und die Wiederzulassung von Glyphosat mitverfolgt hat, hat eine Ahnung davon, was Großkonzerne alles unternehmen, um ihren Gewinn zu maximieren, auch wenn dies auf Kosten der Allgemeinheit geht. In einem Wirtschaftssystem, in dem maximaler Gewinn der allgemein anerkannte und kaum hinterfragte höchste Wert eines Unternehmens ist, ist das auch verständlich. So wird ein Konzern, der (krebserregende) Zigaretten verkauft, alles tun, um Maßnahmen für den Gesundheitsschutz zu verhindern. Ein Konzern, der (krebserregende) Pflanzenschutzmittel verkauft, wird alles tun, um deren Verbot zu verhindern, von massivem Lobbying bis zu selbsterstellten, gefälschten Gutachten. Dasselbe gilt natürlich auch für Pharmakonzerne, die Medikamente herstellen, wobei ein Drittel des Umsatzes mit Krebsmedikamenten gemacht wird. Malaria zu erforschen ist weniger attraktiv, weil Malaria in Ländern auftritt, wo sich die meisten Menschen teure Medikamente nicht leisten können. Wenn man sich also vor Augen führt, um wieviel Geld es da geht und wie viele Millionen von Menschen in diesem System arbeiten und ihren Job los wären, würde plötzlich kein Mensch mehr an Krebs erkranken oder sich nicht mehr mit diesen Medikamenten behandeln lassen, dann wird verständlich, dass sehr viele Menschen Interesse daran haben, dass alles so bleibt wie es ist.
- Was aber ist mit den Ärzten? Es sind doch die Ärzte, die die Behandlungen empfehlen und durchführen. Und die meisten Ärzte haben ihren Beruf doch sicherlich in der Absicht ergriffen, Menschen zu helfen und diese gesund zu machen. Nun, das Gegenteil möchte ich niemandem unterstellen. Aber was lernen Ärzte? Obwohl der Stand der Wissenschaft längst ein völlig anderer ist, ist das Menschenbild, das das Medizinstudium dominiert, immer noch ein chemisch-mechanistisches. Der Medizinstudent beginnt sein Studium mit dem Sezieren von Leichen. Bereits bei der Aufnahmeprüfung und auch später geht es darum, Multiple Choice Tests auszufüllen. Krankheiten werden als Fehler im System gesehen, die repariert werden müssen wie bei einer Maschine, und zwar mit pharmakologischen Mitteln. Natürlich hat die Pharmalobby, die ihre Chemie loswerden will, höchstes Interesse daran, Einfluss auf die Aus- und Weiterbildung der Ärzte zu nehmen und tut es auch erfolgreich. So werden viele hundert Seiten Anatomie, Pathologie und Pharmakologie auswendig gelernt. Seele, Geist, Psyche und deren Zusammenwirken mit dem Körper spielen so gut wie keine Rolle, Gesprächsführung mit Patienten und auch Ernährung wird bestenfalls am Rande gestreift. So weiß zwar jeder Laie, der noch einen Funken Selbstwahrnehmung hat, dass stressige soziale Beziehungen und unbefriedigende Arbeitsbedingungen krank machen können, Ärzte setzen sich damit aber kaum auseinander, denn das haben sie nicht gelernt. Logischerweise tun sie das, was sie können: Medikamente verschreiben, Röntgenbilder deuten, operieren, teure technische Geräte anwenden … Die Geräte müssen sich schließlich auch amortisieren und eine Operation bringt viel mehr Geld als ein einfühlsames Beratungsgespräch. Das zeigt sich auch in anderen Bereichen, z.B. in der Geburtshilfe. Als ich vor 27 Jahren mit meiner Tochter schwanger war, hatte das LKH eine Kaiserschnittrate von 10, die Sanatorien von 15 Prozent. Warum war die Rate in den Sanatorien so viel höher, obwohl sämtliche Früh- und Risikogeburten im LKH entbunden wurden? Das konnte doch wohl nur damit zu tun haben, dass man, um in ein Sanatorium gehen zu können, zusatzversichert sein muss, der Arzt bei einem Kaiserschnitt also entsprechend gut verdient. Mein logischer Schluss daraus war: Nur nicht ins Krankenhaus! Und ich hatte zwei schöne, natürliche Hausgeburten ohne Arzt. Inzwischen ist die Kaiserschnittrate übrigens auf rund 20% gestiegen. Medizinische notwendig wären vielleicht 2 – 3 %. Ein anderes Beispiel: In Deutschland ist die Knieoperationsrate so hoch wie sonst nirgends in Europa. Warum? Haben die Deutschen mehr Knieprobleme? Nein, aber in den privatisierten Kliniken wird massiver Druck auf die Ärzte ausgeübt, eine bestimmte Mindestanzahl an Knieoperationen durchzuführen. Und so landet jeder Mensch, der Knieschmerzen hat, die er mit ein paar einfachen Übungen auch beheben könnte (die der Arzt aber nicht kennt und an denen er auch kein Interesse hat), auf dem OP-Tisch. Und die meisten haben danach mehr Probleme als vorher. Ich selbst hatte als junge Sozialarbeiterin ein eindrucksvolles Erlebnis, wie das läuft, wenn Konzerne ihre Produkte vermarkten wollen. Wir wurden zu einer sogenannten Fortbildung eingeladen, in der es um Säuglingsernährung ging. Vom Vorstand der Kinderklinik wurde ein Vortrag gehalten, der von einer Firma finanziert wurde, die Babynahrungsmittel verkauft. Der Vortragende legte eine Folie aus den Sechzigerjahren auf, aus der hervorging, dass Kinder kaum gestillt wurden. Das war zwar um 1990, als der Vortrag stattfand, bereits wesentlich besser, aber so begann der Vortrag mit dem Satz: „Stillen ist das Beste für das Kind, aber weil die Frauen kaum stillen, müssen die Sozialarbeiterinnen über künstliche Säuglingsernährung Bescheid wissen.“ Und dann ging es nur noch um künstliche Säuglingsernährung, kein Wort darüber, wie man das Stillen fördern könnte.
- Neben den starken Verflechtungen zwischen Pharmakonzernen und Ärzteausbildung gibt es noch andere Rahmenbedingungen, die für Ärzte eine große Rolle spielen. Ein Arzt kann einen Patienten nicht einfach so behandeln, wie er es für richtig hält, schon gar nicht, wenn er in einem Krankenhaus arbeitet. Ein Krankenhaus ist ein hierarchisches System. Da gibt es genaue Anweisungen, wie jemand mit einer bestimmten Diagnose zu behandeln ist. Für junge Ärzte, die frisch von der Uni kommen und noch wenig eigene Erfahrung haben, ist das auch sehr entlastend. Es gibt Sicherheit und sie fühlen sich kompetent. (Das ist natürlich auch in jedem anderen Beruf so.) Der jeweilige „Goldstandard“ in der Krebsbehandlung ist weltweit festgelegt und ein einzelner Arzt kann da nicht einfach ausscheren, auch wenn er selbst die Erfahrung macht, dass es seinen Patienten mit dieser Behandlung immer schlechter geht und viele nach wenigen Monaten oder Jahren tot sind. Ich habe selbst erfahren müssen, wie das ist, wenn in einem hierarchischen System ein bestimmtes Konzept top-down durchgesetzt wird. Die Strukturen werden entsprechend geschaffen, was der einzelne zu tun hat, wird mit Dienstanweisungen angeschafft, auf „Aufmüpfige“, die das System in Frage stellen, wird massiver Druck ausgeübt, Ausgrenzung, Bossing, Psychoterror bis hin zu Versetzungen. Der Spielraum des Einzelnen ist gering. Man muss sich entweder anpassen oder gehen, mit den entsprechenden wirtschaftlichen Unsicherheiten und Einbußen. Nur wenige entscheiden sich für Letzteres, und da diese durch andere nachbesetzt werden, ändert sich am System nichts.
- Ärzte, die in freier Praxis arbeiten, haben da noch mehr Möglichkeiten, aber wenn sie einen Kassenvertrag haben wollen, sind auch sie Spielregeln unterworfen, abgesehen davon, dass das, was in erster Linie wichtig wäre, nämlich ausführliche Beratungsgespräche, von der Kasse kaum honoriert wird, und ein niedergelassener Arzt muss schließlich auch von etwas leben. Und dann gibt es noch die Ärztekammer, bei der jeder Arzt Pflichtmitglied ist und die ebenfalls gewisse Standesregeln vorgibt. Wer sich nicht daran hält, riskiert den Entzug der Berufsausübungsberechtigung. Wenn man verstanden hat, unter welchen Rahmenbedingungen Ärzte arbeiten, dann ist es wenig verwunderlich, dass eine Umfrage unter Onkologen ergab, dass die Mehrheit unter ihnen die Behandlung, die sie tagtäglich ihren Patienten verordnen, bei sich selbst nicht machen lassen würden.
- Und die Patienten? Die denken sich: Wenn der Herr oder die Frau Dr. mir diese Behandlung empfiehlt, dann muss er/sie das ja wohl wissen. Das sind doch die Fachleute. Und wenn eine Behandlungsweise weltweit zum Goldstandard erhoben wird, dann muss sie doch ihre Wirkung entsprechend nachgewiesen haben. Was die meisten Menschen nicht wissen und was kaum zu glauben ist: Für Zytostatika (Chemotherapie) wurde bei den meisten Krebsarten niemals nachgewiesen, dass diese wirkungsvoller wären als überhaupt keine Behandlung, geschweige denn als Maßnahmen, die die Krankheit an der Wurzel anpacken anstatt nur Symptome zu bekämpfen. Es genügt, wenn die Konzerne nachweisen können, dass ihre Medikamente den Tumor verkleinern. Eine Tumorverkleinerung besagt aber gar nichts. Weil der Tumor nur ein Symptom ist und in der Regel wiederkehrt, wenn nicht die Ursachen der Erkrankung beseitigt werden, für die sich die Schulmedizin aber nicht interessiert. Und weil die dann häufig auftretenden Metastasen schulmedizinisch nicht mehr bekämpft werden können. Eine Tumorverkleinerung sagt also über die Überlebenszeit, geschweige denn über die Lebensqualität der betroffenen Menschen überhaupt nichts aus. Im Gegenteil: Die wenigen Studien, die es gibt, weisen sogar darauf hin, dass Menschen, die gar nicht behandelt werden, eine längere Überlebenszeit und vor allem eine wesentlich bessere Lebensqualität haben als Menschen, die schulmedizinisch behandelt werden. Studien mit einer Kontrollgruppe, die keine Behandlung erhält, gibt es aber kaum, weil es als „unethisch“ gilt, Menschen die Behandlung vorzuenthalten. Es wird also in der Regel immer nur Medikament A mit Medikament B verglichen. Alternative Heilmethoden werden nicht untersucht, weil Studien teuer sind und vonseiten der Pharmaindustrie, die die meisten Studien finanziert, kein Interesse besteht, etwas zu erforschen, was man nicht patentieren kann. Außerdem ist es kaum möglich, Methoden, die die aktive Mitarbeit des Betroffenen erfordern, in einer Doppelblindstudie mit schulmedizinischer Behandlung zu vergleichen. Zu alternativen Behandlungsweisen gibt es also hauptsächlich Erfahrungswissen. Einzelfallstudien, die bezeugen, dass Menschen, die etwas Bestimmtes getan oder nicht getan haben, gesund geworden sind. Wobei ein Einzelfall aber wenig aussagekräftig ist. Denn es gibt ja sehr viele Faktoren, die bei der Heilung eine Rolle gespielt haben können. Letztlich kann niemand genau sagen, was tatsächlich ausschlaggebend war. Streng wissenschaftliche Kriterien erfüllen diese Studien daher meistens nicht. Und ohne Studien sind diese Methoden dann nicht anerkannt und werden auch von den Krankenkassen nicht bezahlt, obwohl diese sich eine Menge Geld sparen würden, wenn man bedenkt, dass eine Chemotherapie pro Patient an die 100.000 € und mehr kostet.
- Der Glaube an „die Götter in Weiß“ und ihre Methoden und Medikamente ist sehr weit verbreitet und wird uns von Kind an beigebracht. Wenn man krank ist, geht man zum Onkel Doktor, so wie man zum Mechaniker geht, wenn das Auto kaputt ist. Das ist einfach und bequem, selbst wenn die Medizin nicht immer gut schmeckt und die Behandlung weh tut. Aber so kann die Verantwortung für die eigene Gesundheit abgegeben werden. Die meisten Menschen geben sehr gerne Verantwortung ab. Nicht nur für ihre Gesundheit, auch in anderen Bereichen. Wenn andere sagen, was man tun soll, braucht man selbst nicht nachzudenken, nicht zu entscheiden, sich nicht zu informieren oder womöglich gar gegen den Strom schwimmen oder das eigene Verhalten in Frage stellen und verändern. Verhaltensänderungen sind anstrengend, herausfordernd, unbequem, fordern viel Willenskraft und Energie. Das haben wir alle nicht gern. Jeder, der irgendeinem Laster frönt, von dem er weiß, dass ihm das nicht gut tut, kennt das. Vor ein paar Monaten standen in Graz Plakate herum mit dem Text: „Stress?“ und dann kam die Werbung für irgendein Medikament, das angeblich gegen Stress hilft. Kann ein Medikament die Lösung für zu viel Stress sein? Natürlich nicht. Aber wer im Hamsterrad gefangen ist, sieht oft keinen anderen Ausweg. Stressfaktoren im eigenen Leben zu beseitigen ist wesentlich schwieriger als eine Pille zu schlucken. Da gibt es ja jede Menge sogenannter „Sachzwänge“. Und bereits Kinder werden mit Psychopharmaka wie Ritalin vollgepumpt, um sie ruhig zu stellen. Klar, Kinder mit dem Zappelphilippsyndrom können enorm nervig sein, sowohl für Eltern als auch für Lehrer. Und für Eltern ist es oft eine große Entlastung, wenn ihrem Kind die Diagnose ADHS zugeschrieben wird, denn dann haben sie eine Erklärung für sein Verhalten, die mit ihnen nichts zu tun hat. Es ist eben krank und braucht Medikamente. Man muss sich nicht mehr damit auseinandersetzen, wie man das Familien- oder Schulleben so gestalten kann, dass es den natürlichen Bedürfnissen des Kindes entspricht und das Kind zu Ruhe kommen kann. Bei Menschen, die die Diagnose Krebs bekommen, kommen noch weitere Faktoren dazu: Sie haben zwar vielleicht schon bei Verwandten und Bekannten miterlebt, was Chemotherapie und Bestrahlung, manchmal auch Operation anrichten können, aber sie kennen die Alternativen nicht. Und sie spüren einen hohen Druck, sofort etwas zu tun. Und im Zweifel greifen sie dann eben auf das zurück, was sich laut ärztlicher Meinung „bewährt hat“ und „Standard“ ist, auch wenn sie merken, dass es ihnen damit viel schlechter geht als vorher.
Mehr zum Thema „Krebs“ findest du auf meiner neuen Seite www.krebsberatung-steiermark.at
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Danke für den guten Beitrag; es ist so wichtig diese Zusammenhänge zu hinterfragen- viele tun dies schon.
Die Patienten, die sich informieren und es sich leisten können oder wollen, wenden sich vermehrt WahlärztInnen/ PrivatärztInnen zu, die auch alternative Heilungswege anbieten und die Therapien individuell anpassen.
Oft gehört ein zusätzliche Portion Mut und Geduld dazu Eigenverantwortung zu übernehmen in Teamarbeit mit ÄrztInnen u TherapeutInnen zu arbeiten.
Liebe Grüße, Summer:)
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