Indras Netz – Die unendliche Bezogenheit

Als ich vor einiger Zeit einmal nachts aufwachte und nicht mehr einschlafen konnte, rechnete ich mir aus, wie sehr die soziale Dichte in unserer Wohngemeinschaft zugenommen hat, seit wir nicht mehr zu zweit, sondern zu fünft sind und wie sich diese erhöht, wenn jetzt noch zwei weitere Personen einziehen: Bei zwei Personen gibt es eine Beziehungsachse, in einer Gemeinschaft von 5 Personen, in denen jeder zu jedem eine Beziehung hat, sind es 10. Die soziale Dichte ist also 10mal so hoch! Eine spürbar andere Dynamik, aber immer noch einigermaßen überschaubar. Wenn nun noch zwei Personen dazukommen, sind es 21, also mehr als das Doppelte. Bin schon gespannt, was sich da alles verändern wird.

Ich spann den Gedanken dann weiter, wie denn das in der Weltgemeinschaft ist. Wie hoch ist die soziale Dichte, wenn wir von ca. 7 Milliarden Menschen ausgehen? 1+2+3+4+5+6+7+….+6.999.999.999+7.000.000.000. Diese Zahl sprengte meine Kopfrechenfähigkeiten, ja sogar mein ungefähres Schätzvermögen (wie viele Stellen muss diese Zahl haben?) und meine Vorstellungskraft. Nun ja, mag man einwenden, bei 7 Milliarden Menschen hat ja nicht jeder zu jedem eine persönliche Beziehung. Vielleicht nicht in dem Sinne, dass man jeden persönlich kennt. Die Zahl der persönlichen Begegnungen in meinem Leben schätze ich auf 4-stellig. Aber eine Beziehung haben wir dennoch zu jedem anderen, meine ich. Zum Beispiel weiß ich kaum etwas über den Biobauern, der uns jede Woche mehrere Kisten mit frischen Lebensmitteln vor die Tür stellt. Dennoch beeinflusst er mein Leben nachhaltig. Mein ganzer Körper besteht zu einem hohen Anteil aus den Früchten, die er anbaut und verkauft. Insofern habe ich natürlich eine Beziehung zu ihm, könnte ohne ihn, so wie ich jetzt bin, gar nicht existieren. Da ich schon mein ganzes Leben lang regelmäßig Nahrung zu mir nehme, gilt dasselbe für alle Menschen, die an dem Anbau der Pflanzen bzw. der Haltung, Züchtung und Fütterung der Tiere und dem Anbau derer Futtermittel, der Verarbeitung, dem Transport und dem Verkauf jener Lebensmittel, die ich im Laufe eines halben Jahrhunderts zu mir genommen habe, beteiligt waren. Sie alle haben dazu beigetragen, dass ich jetzt genau so bin wie ich jetzt bin. Und dasselbe gilt nicht nur für die Nahrung, sondern für alle Dinge, die ich in meinem Leben benutzt habe, für die Häuser, in denen ich mich aufgehalten habe, für die Straßen, auf denen ich mich bewegt habe usw. Gerade jetzt z.B. sitze ich an einem Computer, einem Ding, das so hochkompliziert ist, dass ich nicht einmal eine Ahnung habe, wie es funktioniert. Wie viele Menschen waren wohl daran beteiligt, dass so ein Ding entwickelt werden konnte, gebaut wurde – vom Abbau der Materialien angefangen – und auf meinem Schreibtisch gelandet ist? Ich kenne sie vermutlich alle nicht persönlich und dennoch war ihre Arbeit nötig, damit ich jetzt hier sitzen und schreiben kann. Und gerade jetzt liest du diese Zeilen – und vielleicht kenne ich dich auch (noch) gar nicht persönlich – aber was ich schreibe, macht gerade etwas mit deinem Geist. Die unendliche Bezogenheit, die gegenseitige Abhängigkeit und Verbundenheit bezieht sich natürlich nicht nur auf die materielle Welt, sondern auch auf die geistige. Die Erkenntnis, die ich gerade verbreite, ist auch nicht auf meinem eigenen Mist gewachsen, sondern hatten schon zahlreiche Menschen vor mir und unabhängig von mir. Und alles, was ich je gehört, gelesen und erfahren habe, hat meinen Geist geprägt. Auch dadurch bin ich mit unzähligen Menschen verbunden und durch sie beeinflusst und beeinflusse wiederum andere. Und auch diese haben ihr Wissen wiederum von anderen oder geben es an andere weiter.

Und natürlich bezieht sich das alles nicht nur auf Menschen, sondern auch auf Tiere und Pflanzen, auf die Luft, die wir atmen, auf die Sonne, den Mond, die Erde, das Wasser, sämtliche Naturgesetze. Wäre die Sonne nicht genau so groß und genau so beschaffen wie sie ist und die Erde in genau diesem Abstand zu ihr – die Liste der Bedingungen lässt sich beliebig lang fortsetzen – gäbe es überhaupt kein Leben auf der Erde, ganz zu schweigen von den Voraussetzungen, die notwendig waren, damit die Evolution das Wesen Mensch entwickeln konnte.

So lade ich dich ein, noch weiter darüber zu kontemplieren, was alles nötig war und ist, damit du genau so bist wie du bist. Letztlich gibt es nichts, wirklich nichts im ganzen Universum, was anders sein könnte, ohne dass auch alles andere anders wäre. Und gleichzeitig könnte nichts anderes so, genau so, existieren wie es ist, wenn nicht du genau so wärst, wie du bist. Wir alle sind auf so unendlich vielfache Weise miteinander, mit dieser Erde und dem ganzen Universum verbunden und voneinander abhängig. Wir können das niemals überblicken. Wir können niemals einschätzen, welch unzählige Auswirkungen jede unserer Handlungen, ja sogar jeder unserer Gedanken auf alles andere hat. Oft sind wir uns nicht einmal dessen bewusst, dass das, was wir – vielleicht nur nebenbei – denken, sprechen oder tun, überhaupt Auswirkungen hat und bilden uns ein, wir könnten unabhängig von allem anderen existieren und handeln.

In der indischen Mythologie gibt es eine Geschichte, die die unendliche Bezogenheit im manifestierten Universum sehr schön beschreibt: Als Gott Indra die Welt erschuf, warf er ein multidimensionales Netz in den Raum. An jedem Kreuzungspunkt dieses Netzes befindet sich eine Perle. Und jede dieser Perlen spiegelt alle anderen Perlen wider. An diesem Bild kann man sich auch gut vorstellen, dass sich alle Perlen bewegen, wenn man an einer dieser Perle zieht.

Was haben Flüchtlinge mit dem Schnitzel auf dem Teller zu tun?

Mehr über spirituelle Weisheit erfährst du auch in meinem Yoga-Vertiefungskurs .

2 Gedanken zu “Indras Netz – Die unendliche Bezogenheit”

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