Heute sind die guten alten Zeiten …

Der Jahreswechsel ist für viele eine Zeit, in der sie Bilanz ziehen über das vergangene Jahr und Pläne und Vorsätze machen für das nächste. Auch mir geht das so. Und vor einigen Wochen habe in der Zeitung einen Satz gelesen, der mir nicht aus dem Kopf geht: „Heute sind die guten alten Zeiten, nach denen wir uns in 10 Jahren zurücksehnen werden.“

Was war vor 10 Jahren?

Das ist eine interessante Perspektive, denn normalerweise suchen wir die guten alten Zeiten ja in der Vergangenheit. Ich überlegte dann, ob ich mich denn heute nach dem zurücksehne, was vor 10 Jahren war. Jänner 2009: Wir lebten als Familie zusammen. Die Kinder gingen noch zur Schule. Ich arbeitete im Jugendamt, wo die Welt trotz Stress und Konflikten, die es immer gab, noch einigermaßen in Ordnung war. Jedenfalls ahnte ich noch nicht, dass Monate später eine der größten Krisen meines Lebens anbrechen würde, die große Veränderungen mit sich brachte. Hatha Yoga praktizierte ich noch nicht, ganz zu schweigen von unterrichten. Ich hielt aber bereits nach einem Kurs Ausschau, meditierte regelmäßig und sehr viel, machte die 5 Tibeter und trainierte Karate.

Es war eine gute Zeit, aber zurückwünschen tu ich sie mir nicht, außer vielleicht, dass ich – nach heutiger Erinnerung – tiefer in Meditation kam als in den letzten Jahren. Aber ich habe mich weiterentwickelt, bin selbstständiger und selbstbewusster geworden und habe ein viel höheres Maß an Freiheit und Selbstbestimmung gewonnen. Viel ist inzwischen passiert: die Krise im Jugendamt, die mich dann dazu antrieb, die Yogalehrerausbildung zu machen, Kurse aufzubauen, das Haus auszubauen, den Yogaraum und eine Wohngemeinschaft zu gründen, in der wir mittlerweile auch sehr unterschiedliche Erfahrungen mit wechselnden Mitbewohnern gemacht haben. Die Kinder sind längst ausgezogen, im Jugendamt habe ich gekündigt und bereite mich auf meine zukünftige Tätigkeit als ganzheitliche Krebsberaterin vor.

Was wird in 10 Jahren sein?

Und wie wird es in 10 Jahren sein? Ich hoffe, dass das, was ich jetzt aufbaue, bis dahin laufen wird und ich werde wohl schon viele schöne, spannende, aber auch traurige und berührende Erfahrungen mit meinen KlientInnen gemacht haben. Und wahrscheinlich wird mir auch oft ein rauer Wind entgegengeweht haben. Theoretisch kann ich dann auch schon in Pension sein, das habe ich aber nicht vor. Mir werden bis dahin wohl noch einige für mich wichtige Menschen begegnen, sowohl im Beruf als auch als Mitbewohner.

Es ist aber auch nicht unwahrscheinlich, dass ich mich von lieben Menschen verabschieden muss, weil sich die Wege trennen oder auch, weil sie in der Form, in der ich sie heute erlebe, nicht mehr existieren werden. Vielleicht werde ich mir dann denken: „Ach hätte ich doch mehr Zeit mit ihnen verbracht, als sie noch da waren oder die Zeit zumindest bewusster genossen.“ Überhaupt werde ich dann auf jeden Fall den überwiegenden Teil meines Lebens bereits gelebt haben, falls ich überhaupt noch am Leben bin.

Ein Fahrradsturz vor 3 Monaten hat mir wieder einmal sehr drastisch vor Augen geführt, an welch seidenem Faden dieses kostbare Leben hängt. Wäre zufällig ein Auto knapp hinter mir gefahren, wäre ich wahrscheinlich schon nicht mehr hier. In wenigen Sekunden kann es aus sein. Zumindest wird in 10 Jahren das Alter auch näher gerückt sein und ich vielleicht das eine oder andere Wehwehchen mehr haben. Und vielleicht sind auch noch ganz andere Dinge passiert, an die ich heute noch gar nicht denke.

Die beste Zeit zum Leben ist jetzt

Und heute? Tatsächlich ist es leicht möglich, dass ich gerade die beste Zeit meines Lebens erlebe. So viel Unbeschwertheit, so viel Zeit für genau das, was ich wirklich tun will. Und gleichzeitig schon viel von dem verwirklicht, was ich mir vor etwas weniger als 10 Jahren erträumt hatte.

Auf jeden Fall ist jetzt die einzige Zeit, die es gibt. Nur die Gegenwart kann ich leben. Nur sie existiert wirklich und ganz lebendig. Die Vergangenheit ist ja nur Erinnerung, existiert nur in ihren Auswirkungen und in meinen Gedanken. Die Zukunft ist noch offen und unbestimmt. Und es ist doch wirklich viel zu schade, diese einzige Zeit, die es real gibt, zu versäumen, nicht ganz bewusst zu erleben, weil ich mit Nachsinnen über die Vergangenheit oder Ausmalen der Zukunft beschäftigt bin. Erfreuen wir uns also der guten alten Zeit, die wir gerade jetzt erleben!

2 Gedanken zu “Heute sind die guten alten Zeiten …”

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